Freitag, 27. Juli 2012

Twannbachschlucht


Biel –  Magglingen – Twann – Biel am 22.07.2012

Das sonnige Wetter – eben das lang ersehnte Azorenhoch – soll von Westen her kommen. Deshalb ist das Berner Seeland der ideale Ort für einen Tagesausflug. Die Fahrt mit der Bahn von Rotkreuz über Aarau nach Biel dauert knapp zwei Stunden und lässt somit genügend Zeit die SonntagsZeitung ausgiebig zu lesen. Vom Bahnhof ist es ein kurzer Fussmarsch zum Funiculaire, das im 20-Minutentakt die Passagiere in die Ortschaft Magglingen / Macolin oberhalb vom Biel / Bienne befördert.

So sind die ersten 450 Höhenmeter ohne Anstrengung überwunden und die Wanderung beginnt mit einer herrlichen Aussicht auf den Bielersee. Auf der Terrasse der Eidg. Hochschule für Sport überblickt man weite Teile des Sees und das gegenüberliegende Ufer mit den Ortschaften Nidau und Ipsach.


Der Weg führt dann durch einen Mischwald und steigt leicht an. Entgegen unseren letzten Wanderungen treffen wir hier doch ab und zu auf andere Bewegungsmenschen. Doch es bleibt genügend Platz für alle. Unterwegs bieten sich wieder viele Photosujets an und auch für Zwischenverpflegung ist gesorgt: entlang dem Weg reifen feinste Himbeeren.

 
 
Auf dem alten Kurhausweg wandern wir immer in Richtung Twannberg. Zwischen den Bäumen erkennen wir immer wieder das türkisblaue Wasser des Bielersees und bei einer Lichtung wird der Blick auf die jurassische Hügel frei. Ein Wegweiser zeigt das „Ende der Welt“ an! Das ist aber nicht unser Ziel, wir wollen zur Twannbachschlucht!

 
Bei Restaurant / Hotel Twannberg machen wir nochmals einen kurzen Halt und geniessen die Aussicht auf den See. Dank der Zufahrtsmöglichkeit mit dem Auto und einem grossen Parkplatz ist hier schon mehr Publikum unterwegs. Wir überqueren die Strasse nach Lamboing und folgen dem Pfad, der durch den dichten Tannenwald führt. In der Nähe von Les Moulins kommen wir an einem Glas-Atelier vorbei und erreichen dann bald die Twannbachschlucht. Ein Schild weist darauf hin, dass das Begehen kostenpflichtig ist - immerhin CHF 2.00 pro Person für den Unterhalt des Weges.

Der Bach plätschert fidel an den stark bemoosten Steinen vorbei. Die Sonne hat sich nun ganz gegen die Wolken durchgesetzt und bringt so gern gesehenes Licht in die immer schmaler werdende Schlucht. Wasserfälle ergiessen sich über die Felsen und kleine Becken locken fast zum Baden. Schwemmholz und querliegende Stämme zeugen von grossen Wassermengen, die bei Regenschauer durch die Schlucht donnern. An den Abhängen drohen Büsche und Steine demnächst in die Tiefe zu stürzen. Doch für den Moment halten sie sich noch tapfer über dem Abgrund.  Der Weg führt immer wieder über schmale Brücken, steile Stufen  und entlang  von Felswänden. Mancherorts ist er so in den Stein gehauen, dass der Kopf eingezogen werden muss.


Bei gefährlichen Stellen schützt ein Geländer die Wanderer vor einem möglichen Sturz in die Tiefe und Tafeln warnen vor Steinschlag. So ist schnell klar, weshalb ein Obolus für das Begehen verlangt wird; der Unterhalt des Weges ist mit grossem Aufwand verbunden.

 
Kurz vor dem Ausgang der Schlucht sorgt ein künstlich angelegtes Auffangbecken und ein Überlaufstollen für die Sicherheit des Dorfes Twann. Zudem beheimatet eine dunkle Höhle diverse Fledermäuse. Die nachtaktiven Tiere zeigen sich natürlich nicht. Doch eine Informationstafel beim Höhleneingang liefert interessante Hinweise zu den fliegenden Mäusen. Beim Wärterhaus zahlen wir unseren Beitrag für die Wegbenützung und erreichen dann nach wenigen Schritten das Känzeli. Die Aussicht auf Twann, die umliegenden Rebberge, den See und die St. Petersinsel ist gewaltig. Sitzbänke laden zum Verweilen und Picknicken ein.

 
 
Wir wandern durch Kleintwann und unterqueren die Strasse sowie die stark befahrene Bahnlinie. Entlang dem See gelangen wir zum Schiffsteg. Der MobiCat taucht fahrplanmässig auf und der solarbetriebene Katamaran nimmt uns mit Richtung Biel.


Wir ergattern zwei Liegestühle und richten uns ganz vorne auf dem Schiff ein. Der starke Westwind sorgt für einen blauen Himmel mit grossen, weisen Wolken. Unzählige Segler, Surfer und Kitesurfer nutzen die idealen Bedingungen und flitzen an uns vorbei. Wir beobachten waghalsige Manöver mit und gegen den Wind.


In Biel angekommen schlendern wir zurück zum Bahnhof. Bis der Zug Richtung Aarau fährt, geniessen ein kühles Bier beim Robert-Walser-Platz.


Ein sehr erlebnisreicher Tag im Drei-Seen-Land geht zu Ende. Au revoir!

Samstag, 21. Juli 2012

Val Calanca - Valbella (GR / CH)

Die Idee, das bündnerische Calancatal zu erkunden, ist schon lange in unseren Köpfen. Da uns eine spontan buchbare Unterkunft zur Verfügung steht, haben wir auch immer entsprechende Pläne geschmiedet. Am zweiten Juli-Wochenende 2012 ist es dann soweit, wir fahren am Freitagabend für drei Tage in das eher wenig bekannte Bergtal.



Samstag, 07.07.2012
Die Wetterprognosen sind – wie so oft in diesem Sommer – sehr ungewiss. Das längst erhoffte Azorenhoch hat sich noch nicht über der Schweiz installiert und so rechnen wir mit allem. Zum Glück sind die meteorologischen Erwartungen nicht allzu hoch. Nach einer ersten Nacht in der Blockhütte in Valbella regnet es am Samstagmorgen wie aus Eimern. Wir stellen uns darauf ein und warten ab. Ein Blick gegen Süden lässt Hoffnung aufkommen und tatsächlich hört der starke Regen um neun Uhr auf.


Wir sind schnell bereit und wandern durch den verschlafenden Weiler vorbei an umgebauten Rustici, die in den Sommermonaten als Ferienrefugium dienen. Die Teerstrasse endet am Dorfende und auf dem folgenden Fahrweg sind die Schlaglöcher voll mit Wasser. Die heftigen Regenfälle lassen auch die zahlreichen Bäche anschwellen und die Wasserfälle stürzen imposant in die Tiefe. Der Fluss Calancasca muss diese Unmengen H2O aufnehmen und talabwärts führen.

Beim Punkt La Motta d’As steht ein ehemaliges Ausflugsrestaurant leer und verwunschen in einem überwuchernden Garten. Alles ist verlassen. Die Natur hat viel Platz. Der Wanderweg steigt nun steil an und führt durch einen Mischwald. Der Boden ist sehr nass und rutschig. Die Spinnen leisten ganze Arbeit und spannen ihre Netzfäden mit Vorliebe über den Weg. Erste Sonnenstrahlen treffen nun auch bis in den Talboden. Durch die Enge des Tales sind es nur ein paar Stunden am Tag, wo die Wärme und das Licht Einlass finden. Der Wald ist dicht, verschiedene Grüntöne leuchten um die Wette und riesige Ameisenhaufen werden von ihren Bewohnern emsig bearbeitet.

Das Rauschen des Baches ist ein ständiger Begleiter und bald sind wir oberhalb einer Schlucht. Der Blick in die Tiefe ist überwältigend. Das Wasser hat bizarre Formen in die Felsen gefressen. Der schmale Weg mit den nassen Steinen und Wurzeln verlangt volle Konzentration. Wir kommen zur Brücke, die erstmals ein Überqueren der Calancasca möglich macht. Der Pfad zur Alp de Alögna ist morastig und mit den Hinterlassenschaften der Alptiere übersät. Hier kommen der Bach vom Zapporthorn und vom Val di Passit zusammen und fliessen dann gemeinsam Richtung Grono um vor Roveredo in die Moesa zu gelangen.

 
 
Nach einer kurzen Pause nehmen wir den Aufstieg Richtung Pass di Passit in Angriff. Das Gelände ist steil. Es macht den Anschein, dass der Weg schon tagelang nicht mehr begangen wurde. Das Gras reicht zum Teil bis an die Knie und durchnässt die Hosenbeine. Wir gewinnen rasch an Höhe und bald liegt der Bergbach wieder weit unter uns. Die Flanken sind abschüssig, die Spur knapp Fussbreit und immer wieder fehlen Stücke. Die Niederschläge haben den Boden aufgeweicht und kleine Rutsche verursacht. Langsam kommen wir zur Baumgrenze. Sonne und Wolken wechseln sich ab, wobei der Blick Richtung Pass di Passit nicht vielversprechend ist. Ein steiler Bergbach donnert den Hang hinab, genau über den Wanderweg. Die Querung des Wasserlaufes scheint uns zu gefährlich und wir entscheiden uns, wieder auf dem gleichen Weg zurück zu laufen. Wir wollen kein Risiko eingehen.

Zwischen den Bäumen hindurch erhaschen wir immer wieder einen Blick auf die zahlreichen Stromschnellen. Wir erreichen wieder den Talboden und steigen nun noch ein Stück dem Bach entlang hoch. Von dort können wir nun die Wassermassen noch näher betrachten. In der Zwischenzeit ist es Mittag geworden und wir packen unser Picknick aus … Salsiz, Käse, Brot und … nein keinen Wein, sondern ein isotonisches Getränk. Wenn die Sonne vom wolkenlosen Himmel scheint, steigen die Temperaturen sofort an und es ist sommerlich heiss. Auf den warmen Steinen am Fluss rennen unzählige verschiedene Spinnenarten und Käfer um die Wette. Die einen können sogar über das Wasser laufen und dabei ein beachtliches Tempo an den Tag legen. Dennoch gelingen interessante Fotos von diesen Tieren.

 
Der Rückweg verläuft gleich und bringt wenig Überraschungen. Wieder bei der Hütte machen wir es uns auf dem kleinen Balkon gemütlich und beobachten mit Fernglas und Fotoapparat die Murmeltiere auf der nahen Wiese. Sie haben keine Scheu gegenüber Menschen und wagen sich mit den Jungtieren aus ihren Höhlen. Wohlgenährte Exemplare liegen flach auf grossen Steinen und lassen sich von den letzten Sonnenstrahlen das Fell wärmen. Rino, der Nachbar macht uns auf einen Hirsch auf der andern Talseite aufmerksam. Bei der genaueren Betrachtung mit dem Fernglas stellt sich heraus, dass es sich um ein Reh handelt. Das Tier klettert im Hang zu einem grossen Felsen um dort Salz zu lecken. Der mühsame Aufstieg scheint sich für die Schleckerei zu lohnen. Bald wird es kühler und wir richten uns mit einem wärmenden Feuer drinnen ein. Über das Radioprogramm erfahren wir die vagen Wetterprognosen für den Sonntag. Wir lassen das Programm offen.

 

Sonntag, 08.07.2012
Bereits in der Nacht hat wieder Regen eingesetzt und der Tag beginnt noch grauer als der Samstag. Somit geniessen wir zuerst ein ausgiebiges Frühstück und widmen uns dem Lesen und dem Radio hören. Der Mobile-Empfang ist sehr eingeschränkt, was auch mal gut tut! Wir geben dem Wetter bis zwölf Uhr Zeit. Wenn die Niederschläge bis dann nicht aufhören, packen wir unsere sieben Sachen zusammen und fahren nach Hause.

Als hätte das erste Auf- und Zusammenräumen Wirkung gezeigt, trocknet es kurz vor Mittag ab. Wir essen noch eine Kleinigkeit und machen uns dann auf den Weg Richtung Alp de Trescolmen.


Der Weg zweigt kurz nach Valbella ab und führt hinunter an die Calancasca. Die Brücke scheint schon einige Jahre hinter sich zu haben und weckt wenig Vertrauen. Doch wir erreichen sicher das andere Ufer und folgen dem Weg durch den Wald. Wiederum ist alles sehr nass und es tropft von den Bäumen. In Lichtungen und an sonnigen Hängen blühen verschiedenste Gewächse in allen Farben … gelber Eisenhut, violetter Steinbrech und die orange Feuerlilie. Sie hat sich allerdings an einem unerreichbaren Felsvorsprung verwurzelt und kann so nur aus der Ferne bestaunt werden. Scharen von Faltern und farbenprächtige Schmetterlinge kommen aus dem hohen Gras und umschwärmen die Blumen.

Bei der kleinen unbewarteten Alp Cascinot treffen wir auf die ersten Leute. Wir tauschen uns kurz aus (auf Italienisch) und erfahren, dass sie wegen grossen Steinen im Weg umgekehrt sind. Wir setzten unsere Wanderung dennoch fort und kommen wieder an grandiosen Wasserfällen und üppiger Vegetation vorbei. Auch hier ist der Pfad steil und schmal. Markierung hätte mancherorts einen neuen Anstrich nötig. Auf der gegenüberliegenden Talseite entdecken wir alte Schneefelder hinter schattenspendenden Felsen. Das Schmelzwasser speist die schon vollen Bäche noch zusätzlich.

 
Eine gute halbe Stunde später kurz vor einer Verzweigung kommen uns nochmals zwei Wanderer entgegen. Unten am Fluss entdecken wir einen Wegweiser am Ufer liegend. Ansonsten ist der weitere Verlauf des Weges kaum ersichtlich. Wir konsultieren die Wanderkarte und vermuten, dass die Route auf der andern Seite des Baches weitergeht. Jetzt wissen wir, was die andern mit den grossen Steinen gemeint haben. Plötzlich tauchen zwei Personen auf, die ebenfalls auf Spurensuche sind. Sie ziehen kurz entschlossen die Schuhe aus und durchqueren das eiskalte Gewässer. Der Mann gelangt problemlos auf die andere Seite. Seine Begleitung bekundet mehr Mühe und erreicht das Ufer schliesslich mit seiner Hilfe. Wir schauen uns kurz an und sind uns einig. Das machen wir nicht! Nach meiner Flussdurchquerungsstory im Lamington National Park / QLD vermeiden wir solche Unterfangen. Das viele Wasser und die üppige Vegetation erinnert uns übrigens sehr an die unvergessliche Exkursion an der australischen Ostküste.

Somit heisst es erneut den Rückweg anzutreten. Etwas weiter unten machen wir Rast und lassen die Ruhe des Tales, die gewaltige Kraft des Wassers und die vielfältige Pflanzenwelt auf uns wirken. Wir machen unzählige Fotos. Der Weg führt wieder über die kleine Alp Cascinot. Etwas oberhalb ist eine Feuerlilie in Ablichtungsnähe und ein orange-brauner Pilz ziert einen  Baumstamm. Vermutlich handelt es sich um einen Schwefelsporling. Dann die grosse Überraschung: auf einem Stein entdecken wir plötzlich eine Schlange. Die Ringelnatter ist ebenso erstaunt wie wir und verkriecht sich zuerst ins hohe Gras. Doch nach einiger Zeit zeigt sie sich nochmals und lässt sich fotografieren.

 

Nach diesem schönen Erlebnis machen wir uns zufrieden auf das letzte Stück Heimweg. Wir stellen nur unsere Rucksäcke bei der Hütte ab und gehen den kaum begangenen Weg hinunter zum Fluss. Dort sehen wir schnell, weshalb niemand den Weg unter die Füsse nimmt: von einem ehemaligen Steg existiert nur noch der ein Brückenkopf. Der Bach fliesst schnell, doch hinter grossen Steinen bilden sich ruhige Becken mit glasklarem Wasser; Hast und Rast liegen nahe nebeneinander. Auf dem Rückweg setzen wir uns auf die alten Steinmauern, die früher die Weidegebiete begrenzt haben. Nach kurzer Zeit gucken schon die ersten Murmeltiere wieder aus ihren Erdlöcher und klettern auf ihre Aussichtsplätze. Frech schauen sie zu uns und lassen sich nicht stören. Wie verbringen eine weitere Nacht in Valbella.


Montag, 09.07.2012
Heute Morgen ist es trocken und wir können das Haus räumen und verriegeln. Nach einem kurzen Schwatz und einem herzlichen „Arrivederci“ mit dem Nachbarn fahren wir über die schmale Strasse Tal auswärts. Bei Rossa beginnt wieder die „halbe“ Zivilisation, doch einen Kaffee ist nirgendwo zu bekommen. Die Restaurants öffnen frühestens um elf Uhr. In Selma machen wir Halt, schlendern durch das Dorf, besuchen die Kirche, stehen vor dem geschlossenen Grotto und entsorgen die Glasflaschen im entsprechenden Container.

Wir verlassen das Calancatal mit vielen spannenden und lehrreichen Eindrücken. Wir haben die Kraft und die Macht der Natur – insbesondere des Wassers – hautnah erlebt. Die geplanten Touren konnten wir nicht zu Ende gehen, doch das Erlebte und Gesehene bleibt unvergesslich!